Splitter der Tage 10.08.
10.08.2025
Ich fahre mit dem Regionalzug von der Ostsee nach Hamburg. Der Zug ist voll, obwohl es ein Wochentag ist. Eine Vierer-Sitzgruppe wird von nur einem Mann besetzt, der seine schwarze Sporttasche und eine Plastiktüte neben sich platziert hat. Ich frage, ob die Sitze ihm gegenüber frei sind, er nickt, ich setze mich dazu und betrachte ihn genauer. Er ist vielleicht Mitte vierzig, stämmig, hat ein paar Kilos zu viel, Glatze, schwarze Trainingshose, schwarzer Hoodie, darunter ein weißes T-Shirt, schwere Goldkette, Siegelring, dicke Uhr am Handgelenk, ein Hüftbeutel, dazu weiße Socken. Seine Nase ist mit Verband und einem weißen Tape prominent abgeklebt. Mit einem Taschentuch tupft er diese regelmäßig ab. Es geht ihm sichtbar nicht gut.
Ich frage mich, ob der Film in meinem Kopf annähernd der Realität entspricht. Aber sind meine stereotypen Vorstellungen nicht zu vorurteilsbeladen? Könnte es nicht auch ein Fahrradunfall gewesen sein? Ja, ein Fahrradunfall.
03.08.2025
In der Soziologie werden gerne Ontologien fortgeschrieben. So teilte und teilt man zum Beispiel die Gesellschaft in Klassen ein (Bourgeoisie, Proletariat); oder in Ober,- Mittel- und Unterschichten; oder in Ober-, neue Mittel-, alte Mittel- und Unterklassen. Diese Einteilungen sind niemals unschuldig; sie lassen das entstehen, was sie beschreiben. Die Erkenntnisgewinne fallen mal größer, mal weniger groß aus.
Und dann denke ich, dass die einzige Unterscheidung, die wirklich zählt, die folgende ist: zwischen Idioten und denen, die es nicht sind. Das Gespenstische dabei: ich weiß manchmal nicht, in welcher Gruppe ich mich befinde.
26.07.2025
0 und 1: Wenn ich auch für niemanden schreibe, so trainiere ich doch die KI.
Ein herrlicher Sommertag und ich höre Travis, der sich fragt, warum es immer auf ihn regnet; ein unfassbar schöner Song.
Der Krimiautor Adler-Olsen ist unheilbar krank (Krebs). Er berichtet über die Schrecklichkeit, dass das eigene Sterben mit einem Datum versehen wird.
Eben den Film Yesterday gesehen, all my troubles... Wenn ich die Beatles höre, bin ich mir sicher, dass das Vertrauteste aus meiner Kindheit/Jugend aufscheint.
16.07.2025
Auf dem PKW eines Medizindienstleisters ist diese schöne Alliteration zu lesen: Kompetenz in Kontinenz.
Wie schwer ist es manchmal, alleine zu sein, ohne sich zu betäuben.
10.07.2025
Die globale Bananenproduktion ist durch eine Pilzkrankheit namens Tropical Race 4 (TR4) bedroht, auch als Panama-Krankheit bekannt. In dem Pilzbuch von Anna Lowenhaupt Tsing (Der Pilz am Ende der Welt) geht es um den bisher nicht kultivierbare Speisepilz Matsutake. Wie es im Klappentext heißt, bildete dieser Pilz das erste Leben nach der Nuklear-Katastrophe in Hiroshima.
06.07.2025
Ich bin kein Modefetischist und der Splitter im fremden Auge usw. Aber kurzärmelige Businesshemden und die Sichtbarkeit des Halsausschnittes des Unterhemdes bei einem aufgeknöpften Hemd lassen mich innerlich zusammenzucken, während ich Socken in Sandalen zu einer kurzen Hose immerhin lustig finde. Kleiner Narzissmus der Anziehsachen, wobei man diese Anziehsachen immerhin wieder ausziehen kann. Tattoos haben hingegen eine größere Halbwertzeit. Nicht nur deshalb mag ich sie weniger. Insbesondere auf Beinen sehen die Motive manchmal so aus, als hätte jemand im betrunkenen Zustand mit einem Filzstift Malversuche unternommen. Vielleicht zeigt sich darin nur der Wunsch, die Antiästhetik bis zum äußersten Rand der Machbarkeit zu führen.
Sind wir in einer Polykrise für Psyche und Gesellschaft? Morgens steht an der der roten Fußgängerampel ein schon älterer Mann mit Halbglatze und Schnauzbart, bekleidet mit Stoffhose, Sakko, Hemd und Schlips, reckt den Mittelfinger in die Höhe und ruft der gegenüberliegenden Straßenseite ein "Fickt Euch alle" entgegen.
Als Flüssiggaskunde der Firma ***GAS lese auf einem Briefumschlag unter dem Logo den Claim: "Ein Freund fürs Leben". Nicht nur pessimistisch in die Zukunft schauen.
28.06.2025
Tagesanfangsverschluss: 8 x Knöpfe, 6 Schlaufen, 1 x Knopf, 1 x Reißverschluss, 1 x Schnalle, 2 x Schnüre, 1 x Reißverschluss.
In einem Roman von Thomas Melle heißt es, dass das Leben vor allem Gerede und Genichtse ist.
20.06.2025
Ein langer Spaziergang durch den Dortmunder Norden: Über den Eingang der Gebrauchtwagenparkfläche eines Autohändlers verspricht ein großes Schild 'Fachgeschäft für gute Gebrauchtwagen'. Eine achtzigjährige Frau, dünn und klapprig, steigt umständlich in einen Kleinwagen ein und fährt ganz langsam los. Man möchte sich als Chauffeur anbieten, um kleinere und auch größere Katastrophen zu verhindern. Beten? Nebenan eine moderne katholische Kirche, St. Gertrudis. Die Eingangstür ist offen, scheinbar ist die Kirche für ein Treffen der Malteser vorbereitet. Obwohl kein Mensch zu sehen ist, läuft eine Techno-Version von Patti Smith in großer Lautstärke: 'Because the night' und Jesus würde sowieso ergänzen 'belongs to lovers'.
Ein Café in der Nordstadt, es laufen unzählige Menschen vorbei. Migrationshintergrundquote bei fast 100 %, das Wetter ist fantastisch, alle sind entspannt. Viele Frauen mit Kopftüchern, auch Männer im Kaftan, viele Kinder. Was wird aus diesen Kindern in 10 oder 20 Jahren geworden sein? Hoffen, keine Kirche in Sicht, später noch eine Moschee. Die Häuser sehen relativ gepflegt aus, die meisten sind frisch gestrichen. Nur ab und zu ist am Straßenrand Sperrmüll zu sehen - von der Mikrowelle über Sessel und Haushaltsschrott -, so als würde man darauf vertrauen, dass dies in den nächsten Tagen abgeholt wird.
Ein Lebensmittelladen: zwei Scheiben sind vollflächig mit einem Fotobild einer Küstenlinie beklebt. Sonne und viel blaues Meer ist zu sehen, wie für Touristen gemalt. Darüber in großen weißen Buchstaben steht: LIBANON. An einer Ecke des Nordmarktes, wo früher mal eine Szene-Kneipe war, wurde eine große Scheibe durch Einschusslöcher beschädigt. Neben den fünf Einschüssen hat die Polizei jeweils vertikal und horizontal ein Stück Schwarz-Weißes-Klebeband angebracht, durch das anhand einer aufgedruckten Skala die Größe der Löcher ablesbar ist.
Am Rand des Viertels an einer Parkanlage dann ältere kleinbürgerliche Einfamilienhäuser. Diese haben kleine Fenster; scheinbar fehlt/e das Geld und die Grundstücksgröße, um auch mit großen Fenstern seine Privatsphäre zu wahren. Auf dem Rückweg sehe ich viele Kioske, Kebab-Läden (die gehobene Variante = Name + Holzkohlegrill), eine kleine nicht besonders vertrauenserweckende Pizzeria, die laut Werbung auch Schnitzel verkauft. Oft ist der Aufkleber 'Neueröffnung' an den Geschäftsscheiben zu sehen. Vielleicht ist die gastronomische Start-Up-Geschwindigkeit besonders hoch, vielleicht macht man sich später nicht die Mühe den Aufkleber zu entfernen. Man gewöhnt sich an alles. Frisöre schneiden mit Maschinen die Haarseiten der Männer - ich sehe dort nur Männer - kopfhautsichtig. Bei einem gepflegten Lieferwagen säubert ein Mann am Straßenrand mit einem Pinsel den Motorinnenraum. Die Sonne scheint.
14.06.2025
In der Schweriner Innenstadt in einem Lokal der Einkaufszone bei schönstem Sonnenschein nach einer Wanderung einen Sitzplatz im Außenbereich gefunden. Die Leute flanieren vorbei. Und auch hier: die Wurstpellenfraktion der sich sportlich gebenden Rad'renn'fahrer beeindruckt durch die Idee, dass die Funktion im Zweifelsfall, vor allem im Bauchbereich, der Form folgen muss. Vor mir sitzt ein älterer Mann mit einem roten 'Camp-David-Shirt' (auf dem Rücken unterhalb des Kragens ist der Name aufgedruckt); nachdem er aufgestanden ist, hat der nächste Mann, ähnliche Altersklasse, einen grünes 'Camp-David-Shirt' an (Aufdruck ebenfalls im oberen Rückenbereich). Ich frage mich, warum der präsidiale Landsitz so beliebt ist. Später lese ich, dass es sich um eine deutsche Modemarke handelt, die Verbindung also durch den Kapitalismus vermittelt ist, was mich beruhigt. Der bestellte Aperol wird gebracht und Überraschung, es gibt hier noch Strohhalme aus Plastik! Warum nicht.
Kurz vor der Rückfahrt sind am Pfaffenteich, ein kleiner, an die Innenstadt angrenzender Binnensee, der von einem einzigen Fährboot, das in einer Kreisfahrt vier Anlegestellen bedient, eine 4er Gruppe von Goths zu sehn: zwei Pärchen, das eine noch jünger, das andere Ü 50, also Gruftis. Der ältere Mann - schwarze Kutte, schwarze Hose, kahler Schädel - macht den Sekt auf und lässt den Plastik-Sektkorken mit einem lauten Plop in den See fliegen, wo er lustig auf den Wellen schwimmt. Alle in der Gruppe lachen und sind bereit, den Korken seinem Schicksal zu überlassen. Warum?
29.05.2025
Das Häßliche ist oft das Abartige, von der Norm abweichende oder auch, so es sich um Dinge handelt: der schlechte Geschmack, der Kitsch; oder: ein Effekt, der sich großartig gibt, ohne in Zeit und Mühe investiert zu haben. Auch die verlassenen Dinge wirken oftmals häßlich, zeigen Zeichen der Verwahrlosung und des Verfalls, sondern aber eine tiefe Taurigkeit ab. Schönheitshauch einer echten Teilung.
Wir hängen fest an unserem Lebensfaden. Und er reißt.
24.05.2025
Überall Turnschuhe. Überall Delta zwischen Körper und Turnschuhen.
Eskapismus - man kann nicht immer auf der Höhe seines Abgrunds sein.
18.05.2025
Schwerer Kopf und Spargelpipi.
16.05.2025
Ich legte die Literaturbeilage zur Seite, in der Hoffnung, sie später einmal zu lesen. Und tatsächlich, mehr als 2 Jahr später fällt sie mir wieder in die Hände; ich nehme sie zur S-Bahn-Lektüre mit auf den Weg. Eine Rezension über drei Bücher, die sich mit dem damals noch jungen Ukraine-Krieg auseinandersetzen, überraschend aufschlussreich (z.B. die schon immer problematische russische Raumbewältigung). Dann ein Bericht über Etty Hillesum, eine niederländische Jüdin, die Ende 1942 deportiert wird, mehrfach die Gelegenheit hatte, unterzutauchen, bei ihren Leuten blieb und mit diesen starb. Sie führte von März 1941 bis Oktober 1942 als eine noch Junge Frau ein Tagebuch, das dokumentieren sollte, was um sie herum geschah. Die letzten Worte darin: "Man möchte ein Pflaster auf vielen Wunden sein."
10.05.2025
Nach dem Duschen trockne ich mich mit einem grünen Handtuch, das schon sehr lange im Gebrauch ist und das ich sehr gerne nutze, ab und denke an das schöne Wort 'fadenscheinig'. Ich halte das Handtuch gegen das Fenster und ja.
Arbeitsbesuch in der Hauptsadt, ein Spaziergang vorm Abendessen. Vor mir ein jung gebliebenes älteres Ehepaar, Berliner Dialekt, dem ein junger Mann mit zwei Stoffbeuteln entgegenkommt. Einer der Beutel ist mit der Deutschlandfahne bedruckt. Der ältere Mann: "Das ist gesichert rechts. Das geht so nicht." Der junge Mann lacht und schließt sich den beiden an, offenbar ihr Sohn.
Der Föhn im Hotel ist sehr schwer und groß, wie schon andere Hotelföhne zuvor. Statt einer Festmontage die andere Form eines effektiven Diebstahlschutzes.
06.05.2025
Überall Plakatwerbung für eine werbefreie Stadt.
Ich schaue mir seit längerem im Netz Gesichter von Politikern, Autoren, Künstlern an. Wie sieht Klugheit, Dummheit, Freundlichkeit, Bosheit, Kreativität, Verblendung, Selbstgerechtigkeit aus? Ich weiß es nicht.
01.05.2025
Anschlussverwendung: postmodern, postheroisch, posterotisch
Bei einer bekannten Hemdenfirma heißt die Hemdenform für dicke Bäuche 'comfort fit'.
23.04.2025
In einem Buch auf das Wort intrikat gestoßen. Wiktionary sagt: Intrikat = durch viele Details, Komplexität geprägt; von lateinisch intrīcāre = „verwickeln, verwirren“; darin das Substantiv trīcae = „Wirrwarr, Unsinn, Schererei“. Begriff für den aktuellen Zeitgeist = Tricaelismus.
Kinderstimme auf der anderen Straßenseite, das Kind offenbar auf dem Weg zur Grundschule: "... das, was mir geholfen hat …". Der Jargon der Selbstsorge hat die Kindheit erfasst.
17.04.2025
Ich weiß nicht wieso, das Alter, die Krisenzeit? Ich begrüsse den Frühling wie selten, das zarte Grün, später die frische Dämmerung.
Unentschieden: Angst, das Leben verlassen zu müssen, obwohl es so schön ist. Oder dankbar: es ist schön, weil wir es auch verlassen müssen.
13.04.2025
Kulturkritik ist Biedermeier.
12.04.2025
Hinnahme der Gegebenheiten: Ein Hotel- und Tagungsareal in Flughafennähe. Große moderne Gebäude sind wie an einer Perlenkette aneinandergereiht; die Beton- und Glasfassaden mögen unterschiedlich sein, der Rhythmus wirkt monoton. Die Eingangsbereiche sind eher unauffällig als einladend. Rasenstücke bilden abgehungerte Grünstreifen vor den Gebäuden. In einer kleinen Parkanlage mit wenigen Bäumen wurden teilweise die Baumkronen abgesägt. Verbindungsstraßen durchziehen das Viertel und münden in mehrspurigen Zubringerstraßen, aus denen Lärm brandet. In den Randbereichen des Viertels sind Brachflächen mit Zäunen abgegrenzt; verwahrloste Sträucher strecken sich durch Gitter- und Drahtgeflechte.
05.04.2025
Am 1. April keine erkennbaren Aprilscherze gefunden. Erst gestern sah ich ein kurzes Video vom 1.4., in dem als Produktinnovation der fleischliche Nachbau vegetarischer Produkte gezeigt wurde und zwar in Form von kleinen Salami-Brezeln (warum nicht). Die Welt ist zu verrückt für Scherze: Putin für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen! Wohl kaum. Trump für den Wirtschaftsnobelpreis! Wer weiß. Wie sagt die Jugend: Galigrü - ganz liebe Grüße.
30.03.2025
Über Jahre habe ich an der Ostsee an verschiedenen Stränden nach Bernstein geschaut, nebenbei, in der Hoffnung wenigstens ein kleines, ein klitzekleines Stückchen zu finden; nix. Gestern Mülleinsammelaktion im Ostsee-Dorf, in kürzester Zeit: u.a. 3 leere Glasflaschen, ein weggeworfenes Bündel Prospekte und verschiedene Plastikfetzen.
25.03.2025
Am Ausgang einer S-Bahn-Station, die am Rande eines Industriegebietes liegt, ist ein farbig kopierter Din-A-4-Zettel angeklebt. Die Polizei bittet um Mithilfe. Als "Geschädigte/r" einer Straftat soll man sein Eigentum wiedererkennen. Überschrieben ist der Aufruf mit "Stehlgut aus Wohnungseinbrüchen wiederaufgefunden." Der Satz passt zur Industrieumgebung, klingt Stehlgut doch nach einem Produkt der Stahlverarbeitung. Aber warum heißt es nicht Diebesgut? Korrekter Weise: Diebes- und Diebinnengut; doch zu niedlich? Die Sanftheit der Schreibweise kollidiert mit der schlechten Tat und somit mit der Instanz, die für Recht und Ordnung sorgen soll. Resthärte.
22.03.2025
Den Moment begrüßen? Auf dem Weg zur Arbeit höre ich, nun schon zum zweiten Mal, ein lautes Klatschen. Ich gehe ein Stück zurück und sehe am Straßenrand einen Kleinbus, der Schulkinder einsammelt. Vor dem Bus wartet ein Junge im Rollstuhl, zudem noch intellektuell beeinträchtigt, darauf, dass die Rampe des Busses ausgefahren wird und er hineingeschoben werden kann. Dabei schlägt er seine Hände laut und enthusiastisch zusammen, während eine Frau, offenbar seine Mutter hinter ihm wartet.
17.03.2025
Jeder möchte ein Mensch mit Abgrund sein? Ja freilich, solange man nicht hineingucken muss. Vielmehr, der Anschein von Tiefe ist interessant, erschreckend ist, dass man beim Abgrund auf keinen Grund stößt. So bleiben wir glücklich-unglückliche Oberflächenwesen.
09.03.2025
ICE hält am Hauptbahnhof - wie eine Schattenfigur aus einen Science Fiction-Roman rennt ein Mann mit Baseball Cap und einer Papiertüte durch den Gang und sammelt Pfandflaschen ein.
27.02.2025
In einer Minute werden auf der ganzen Welt ca. 6.500 L Sperma ausgeschüttet.
In Deutschland soll es ca. 10 Millionen Menschen geben, die Verschwörungstheorien plausibel finden. Wirklich nur 10? Es gibt eine verborgene Macht, die dafür sorgt, dass wir alle sterben.
19.02.2025
Der Glaube ist primär keine innere Einstellung, sondern eine anzutrainierende Routine.
06.02.2025
Auf einer Anti-Rechts Demo spricht der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Heinrich Bedford-Strohm davon, dass Politiker ihrer 'job description' nachkommen sollen. Das Bemühen sich sprachlich am Puls der Zeit zu orientieren, klingt sehr albern. Form follows function.
Große Parteispende an die AFD. Es sollen tausende Wahlplakate geklebt werden. Im Radio heißt es, dass damit Stimmung für die AFD gemacht werden soll. Stimmung statt Werbung. Die Nachricht mutiert ungefragt zur Meinung. Man spricht und hört für die gute Sache und wird verstimmt.
24.01.2025
Wenn es brennt: Ein Feuerwehrmann berichtet, dass es beim Einsatz heißt: "Die Lage ist heilig". Entgegen aller Lösch- und Rettungsplanungen muss im Brandfall die Lage vor Ort für alle weiteren Entscheidungen maßgeblich mitberücksichtigt werden. So wird das sicher auch der Heilige Florian, der Schutzpatron der Feuerwehr, gesehen haben wollen. Nun ist dieser schon weit mehr als 1.000 Jahre tot. Damalige Todesursache: beim Versuch seine Mit-Christen gegen die Verfolgung durch römische Autoritäten beizustehen, wurde er, ein ehemaliger römischer Amtsvorsteher, selbst verhaftet, gefoltert und mit einem Mühlstein um den Hals in einen Fluss geworfen. Kurzum: Die Lage mag heilig sein, aber das Gewicht der Dinge ist zu beachten.
19.01.2024
Was ist Kitsch? Das Gutgemeinte und Gutgewollte, verpackt in eine Form der unmittelbaren und angenehmen emotionalen Aufwallung, die letztendlich ins Leere läuft; vielleicht. Auf einem Campingwagen am Straßensand ist in geschwungenen Buchstaben auf der Rückseite zu lesen: "Sehnsucht ist unser Steuermann." Ich verstehe. Meine Bilder sind jedoch andere: Kaffee auf Plastikstühlen auf einem Campingplatz vor dem Camper, wohlorganisierte Reiserouten mit Reservierungsbestätigungen, TÜV-geprüfte Fahrsicherheit und Dichtigkeitssiegel, Funktionsstauräume hinter Buche-Nachbildungen usw. Aber leben wir nicht alle auf unterschiedlichen Ebenen mit unserem Kitsch? Die Sinnsprüche mögen andere sein, das eigene Leben ist ohne Schmerz nicht zu haben.
15.01.2024
Ein Kollege berichtet mir, dass eine Kranfirma, die riesige fahrbare Kranwagen in Deutschland herstellt, in der Schweiz ein Motorenwerk betreibt, in dem sehr große Dieselmotoren, 16 Zylinder mit je 2 L Hubraum, hergestellt werden. Das Geschäft läuft sehr gut. Denn diese Motoren kommen in Deutschland vor allem zum Einsatz, um in der Nähe von Elektroauto-Ladestationen die nötige Stromversorgung sicherzustellen.
12.01.2025
Die Sonne strahlt, es ist Sonntag und damit ein Tag der Ruhe. Es stellt sich das Gefühl ein, dass ich der Welt und mir selbst (noch, immer noch, immer wieder) etwas schuldig bin (ich erinnere mich an einen Text, (welchen?), der die gefürchtete Sonntags-Leere darauf zurückführt, dass im Christentum die Arbeit zur Nachfolge Christi gehört). Was fehlt: Die Welt-ist-in-Ordnung-Tag / Die geistige Zentralheizung (Warburg); wenn sie fehlt, erkaltet die Welt (und ganz dialektisch, heizt sie sich im Außen auf). Was vielleicht schon da ist: Endstadiumsversuchsgott.
An einer Straßenlaterne ist mit Klebeband eine buntkopierte Werbung für ein Mutter-Kind-Training angebracht. U.a. ist zu lesen: rektusdiastase-freundlich. Unbedingt.
Dinge, die ich zur Vermeidungsplanung lernen muss: Mansplaining = Besserwisserische Äußerungen, die Wissen und Erfahrungen von Frauen unterschlagen bzw. übergehen. Auch unbedingt.
10.01.2025
Am Flughafen: Eine junge Frau in rosa, enganliegender Pulli, spiegelt sich in der Glasscheibe der Boarding Zone. Es sieht aus, als hielte sie ein Baby im Arm, ist aber nur ein kleiner weißer Pudel. Simulation von Mutter sein.
8.01.2025
Autobahnraststätten, Leere mit Dekor.