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Autoerotik oder die Kunst des Ausspannens

"Weil es endlich an der Zeit ist, dem armen tugendhaften Menschen eine Erholung zu vergönnen; weil der Ausdruck ‘ein tugendhafter Mensch’ im Munde der Menschen hohl und wertlos geworden ist; weil sie den tugendhaften Menschen sozusagen in ein Pferd verwandelt haben und es keinen Schriftsteller gibt, der nicht mit ihm herumkutschierte und es mit der Peitsche und allem, was ihm sonst noch in die Hand kommt, antriebe; weil sie den tugendhaften Menschen dermaßen zermartert haben, dass jetzt auch nicht ein Schatten von Tugend mehr an ihm zu finden ist, sondern von dem Körper nur die Rippen und die Haut übriggeblieben sind; weil es eine Heuchelei ist, wenn sie den tugendhaften Menschen an den Wagen rufen; weil sie den tugendhaften Menschen gar nicht achten."
Nikolai Gogol: Die toten Seelen; Frankfurt/M. / Leipzig 2003 (1842); S. 307 f.

Heute spannt man nicht den tugendhaften, sondern den selbstgemanageten Menschen vor den Karren des produktiven Lebens, was den Vorteil bietet, dass man durch Selbstkasteiung sich eigenhändig das Fleisch vom Körper peitscht, in der Hoffnung etwas schneller voran zu kommen. Aber nicht nur peitschen, auch mal streicheln. Ist gut für die Seele und die Haut.

16. April  2014