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Energieabzug

Wenn man wissen möchte, was postheroisches Leben eigentlich heißt ('heißt' im Heideggerschen Sinne von 'Was heißt denken'), der lese die mittelalte deutsche Popliteratur, in der Heinz Strunk seinen Protagonisten darüber räsonieren lässt, wie angenehm es sein müsste, ein Leben im Halbschlaf zu verbringen (einnicken, dämmern, kurz wieder aufwachen - in: 'Die Zunge Europas') und in der Benjamin von Stuckrad-Barre sich die Harald Juhnksche Definition von Freiheit, 'Keine Termine und leicht einen sitzen' haben, wohlwollend herbeizitiert (in: 'Panikerz').

Was uns das sagt? Die Idee vom guten Leben besteht heute, wenig überraschend, nicht aus der Kultivierung einer Tugend und auch nicht, was näherliegender wäre, aus einem fortgesetzten Exzess, der sich, so könnte man vermuten, im Laufe der Moderne selbst desavouiert hat, sondern in einer Sedierung ohne Zwang. Die scheinbare Ausweglosigkeit der individuellen und gesamtgesellschaftlichen Lebenswirklichkeit lässt sich maximal noch dämpfen, nicht mehr überwinden oder transformieren. Die glücklichen Momente halten die Realität weichgezeichnet auf Abstand.

13. Juni 2016