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Hoffnung als Geheimnis

Die heutige Weltlage würde sicherlich ein wenig mehr an Hoffnung vertragen. Also gut, beginnen wir mit den Wundern:

“Wunder aller Wunder, dieses Vorrecht ist uns verliehen, 
Das unglaubliche Vorrecht, das ungeheuerliche,
Lebendig zu wahren die Worte des Lebens,
Mit unserem Blut, mit unserem Fleisch, mit unserem Herzen zu nähren
Worte, die ohne uns hinsiechen würden, entfleischt.”
Charles Péguy: Das Tor zum Geheimnis der Hoffnung; Freiburg 2007 (1911); S. 75

Dem französischen Schriftsteller Charles Pierre Péguy verdanken wir das obige Zitat und das Buch, aus dem es entnommen wurde: "Le porché vers la deuxième vertu" („Das Tor zum Geheimnis der Hoffnung“). Nun könnte man vermuten, dass Péguy als christlicher Schriftsteller einfach einen Schritt weiter geht und darauf setzt, dass die Wahrung der Worte des Lebens zugleich den Zugang zum ewigen göttlichen Leben bereiten. Aber so einfach liegt die Sache nicht, denn es geht nicht nur um den Glauben an Gott und um den Glauben an die Wiederauferstehung und um den Glauben an das ewige Leben. Das Buch beginnt mit dem Satz, dass Gottes Lieblingsglaube die Hoffnung sei. Denn die Hoffnung ist ein göttliches Attribut, das den Menschen zukommt und dafür sorgt, dass wir uns nicht der Welt entheben (aber auch nicht in und an ihr kleben). Denn das Unendliche, so Péguy, darf nicht des Endlichen ermangeln, das Vollkommene nicht des Unfertigen (ebda. S. 84 f.). Glaube kann und darf keine Gewissheit sein und die Hoffnung kann nicht umstandslos in ein Jenseits führen. Die Hoffnung muss sich auch in diese Welt einschreiben, oder sie ist Nichts. Der Glaube an die Hoffnung ist der Glaube daran, dass wir mit Blut, Herz und Fleisch die Worte des Lebens und der Liebe materialisieren und lebendig halten können. Und hat dass Christentum nicht seine besten Momente immer dann, wenn es um die Schnittstelle zwischen Körper und Sprache/Geist/Vernunft geht. So sind beispielsweise viele der fraglichen Begriffe im Lateinischen gedoppelt und aufgeladen. Zwischen corpus (eher: in sich geschlossener Körper) und soma (eher: grenzoffener Körper), zwischen ratio (eher: schließender Verstand) und logos (eher: weltbedeutende Vernunft) liegt auch die Glaubensfrage, wie man von hier nach dort kommt und wieder zurück. Also mit Hoffnung!? Das Buch wurde im Jahre 1911 veröffentlicht. Drei Jahre später wurde Péguy als französischer Soldat kurz vor Beginn der Marneschlacht durch einen feindlichen Kopfschuss getötet.  

31. Juli 2025