Körper
Es ist noch Dunkel, die Sonne wird erst in 2 Stunden aufgehen. Gleich fahre ich ins Krankenhaus, Operation. Wird schon alles gut gehen, sage ich mir. Vor mir auf meinem Schreibtisch steht eine Postkarte, Motiv "Studie zweier Esel" von Johan Christian Dahl. Die beiden Esel sind von vorne zu sehen, schauen jedoch nicht den Betrachter an, sondern gucken gottergeben und etwas mürrisch auf den Boden. Ich mache ein Handy-Foto für den nachoperativen Trost. Mir fällt das Buch "Schornstein" von Jan Faktor ein. Die medizinische Behandlung als Quell für Pein und Galgenhumor:
“Der Anblick meines nach außen plötzlich geöffneten Blutreislaufs und der Fußbodenkorona aus vielen feinen Minitröpfchen verschlug mir die Sprache.”
Jan Faktor: Schornstein, Köln 2006, S. 147
Der ‘Held’ der Geschichte wartet im Behandlungszimmer auf seine Dialyse und auf den Arzt, der ihm die Nadel in die Vene stechen muß. Der Arzt entpuppt sich als völlig unfähig. Nach mehrern Versuchen trifft er schließlich eine Vene, vergißt aber, die Schlauchklemme zu öffnen; Resultat s.o. Die Situation wird mit einer unwiderstehlichen Komik geschildet: Trennung zwischen dem Körper- und dem Sprecher-Ich - wenn etwas auseinanderflällt, was landläufig zueinander finden sollte, stellt sich das Gegenteil von Erhabenheit ein.
24. November 2022