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Pneumopathologie

"Der Mensch kann die Realität Gottes ausblenden, indem er ein Nichts imaginiert, aber er kann das imaginierte Nichts nicht dadurch überwinden, dass er es mit einem imaginierten Etwas füllt."
Eric Voegelin: Realitätsfinsternis; Berlin 2010 (1968-71); S. 26

Der Satz von Voegelin lässt eher an eine Gottesfinsternis (so heißt ein Buch von Martin Buber aus dem Jahre 1953), als an eine Realitätsfinsternis denken. Aber Voegelins Pointe besteht darin, dass für ihn die Realität nur dann Bestand hat, wenn sie die menschliche Existenz quasi von ‚Außen‘ berühren kann, sie nicht vollkommen immanent, d.h. selbstgemacht ist (behandelt werden folgende Selbstmacher: Schiller, Hegel, Comte). Wenn Voegelin von einer selbstgemachten Welt als Imagination spricht, dann weniger, um ihr die wirkliche Wirkungsmächtigkeit abzusprechen, sondern um auf die ungeheuren Ausblendungszusammenhänge hinzuweisen, die damit einhergehen. Dafür nutzt er auch den von Schelling übernommenen Begriff der Pneumopathologie = Verfall und Verlust des – transzendenten, göttlichen - Geistes.

Aus verschiedenen Gründen ist es immer problematisch, Dinge, Sachverhalte und Zusammenhänge zu pathologisieren. Andererseits, jetzt wo ich den Begriff der Pneumopathologie kenne, fühle ich mich ein wenig so wie ein dilettantischer Hausarzt, der seinem sterbenskranken Patienten die Wahrheit sagen kann, ohne dass er diese versteht. Nützt aber keiner und keinem.

28. Juni 2024