Wenn man wissen möchte, was postheroisches Leben eigentlich heißt ('heißt' im Heideggerschen Sinne von 'Was heißt denken'), der lese die mittelalte deutsche Popliteratur, in der Heinz Strunk seinen Protagonisten darüber räsonieren lässt, wie angenehm es sein müsste, ein Leben im Halbschlaf zu verbringen (einnicken, dämmern, kurz wieder aufwachen - in: 'Die Zunge Europas') und in der Benjamin von Stuckrad-Barre sich die Harald Juhnksche Definition von Freiheit, 'Keine Termine und leicht einen sitzen' haben, wohlwollend herbeizitiert (in: 'Panikerz').
Was uns das sagt? Die Idee vom guten Leben besteht heute, wenig überraschend, nicht aus der Kultivierung einer Tugend und auch nicht, was näherliegender wäre, aus einem fortgesetzten Exzess, der sich, so könnte man vermuten, im Laufe der Moderne selbst desavouiert hat, sondern in einer Sedierung ohne Zwang. Die scheinbare Ausweglosigkeit der individuellen und gesamtgesellschaftlichen Lebenswirklichkeit lässt sich maximal noch dämpfen, nicht mehr überwinden oder transformieren. Die glücklichen Momente halten die Realität weichgezeichnet auf Abstand.
13. Juni 2016
Was wichtig ist? Ganz einfach. Nennen wir es den Nietzsche-Test.
Bitte die Lücke ausfüllen, ohne den Satz zu einem lächerlichen oder ironischen werden zu lassen:
“Ohne ____ wäre das Leben ein Irrtum.”
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Die Nietzsche Antwort lautet:
“Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.”
Friedrich Nietzsche: Götzendämmerung; Frankfurt/M. 1985 (1888); S. 15
12. Juni 2016
Packungsaufdruck bei Papiertaschentücher: "Enjoy the little things." Der Kapitalismus muss in das Sinngeschehen eingreifen, um 1. auf Produktebene erfolgreich zu sein und 2. die gesellschaftliche Gesamtkonstellation zu stabilisieren.
31. Mai 2016
“Wir wissen, dass die Zerstörung einer Illusion noch keine Wahrheit ergibt, sondern nur ein Stück Unwissenheit mehr, eine Erweiterung unseres ‘leeren Raums’, einen Zuwachs unserer ‘Öde’ .“
Friedrich Nietzsche: Der Wille zur Macht; Stuttgart 1980 (1887); S. 414 (604)
Mit und gegen Nietzsche: die Zerstörung einer Illusion führt nicht zur Wahrheit, sondern zur Freiheit. Die Frage an Nietzsche: spricht er obigen Satz wirklich illusionslos.
28. Mai 2016
“Die wahre und positive Bedeutung der Antinomien besteht nun überhaupt darin, dass alles Wirkliche entgegengesetzte Bestimmungen in sich enthält und dass somit das Erkennen und näher das Begreifen eines Gegenstandes eben nur soviel heißt, sich dessen als einer konkreten Einheit entgegengesetzter Bestimmungen bewußt zu werden.”
G.W.G. Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I; Frankfrut/M. 1989 (1830);S. 128
Gegen Kant führt Hegel hier ins Feld, dass dieser nur jene Antinomien in der Kritik behandelt - deren vier - , die Gegenstände der Kosmologie gewesen sind. Dagegen insistiert Hegel, dass in allen Gegenständen Antinomien zu finden sind. Das vergrößert das Freiheitsmoment, würde dieses bei Hegel nicht durch eine Verzeitlichungs-Strategie, durch das dialektische Moment, d.h. durch den Geschichtsprozess sich wieder schließen, die Sache an und auch für sich abschließend ruhen.
30. April 2016
“Sehr kurz und sorgenreich ist dagegen die Lebenszeit derjenigen, die das Vergangene vergessen, die Gegenwart vernachlässigen, vor der Zukunft Angst haben.”
Seneca: Das Leben ist kurz (De brevitate vitae); Stuttgart 2007 (58 n. Chr.), S. 55
Anthropologische Konstante: Ausgangs-Suche aus der kurzen und sorgenreichen Lebenszeit. Suche nach dem “es ist”. Und alles wieder verwickelt.
26. Februar 2016