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Bleiben alle gleich

“Wir sind sehr arm an Schwellenerfahrungen geworden.”
Walter Benjamin: Das Passagen-Werk, Erster Band; Frankfurt/M. 1983 (1927-40), S. 617

Was uns geblieben ist an Erfahrungen dieser Art, so Benjamin weiter: das Einschlafen. Sleep well.

4. Juni 2015

Zurück zu den Wurzeln

“Das Ziel alles Lebens ist der Tod, und zurückgreifend: Das Leblose war früher da als das Lebende.”
Sigmund Freud: Jenseits des Lustprinzips; in: Das Ich und das Es; Frankfurt/M. 1960 (1920), S. 147

Berühmtes und schwieriges Zitat von Freud, steht doch der Todestrieb im Kontext einer interessanten und verwickelten energetischen These. Gesetzt, dass wir die Triebe mit ungebundener Energie parallel führen, so stünde die Bindung, die Kanalisierung der Energie … nein, nicht ‘an und für sich’ im Dienst des Todestriebs. Dieser taucht spekulativ an der Stelle auf, wo sich ein Wiederholungszwang jenseits des Lustprinzips einstellt: bei der Arbeit?

21. Mai 2015

Erhaben genug

“Mann kann das Erhabene so beschreiben: es ist ein Gegenstand (der Natur), dessen Vorstellung das Gemüth bestimmt, sich die Unerreichbarkeit der Natur als Darstellung von Ideen zu denken.”
Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft; Köln 1995 (1790); S. 139

Kritik ist immer auch eine Untersuchung dessen, was fehlt (und konstruktive Kritik demnach eine, die alles wieder Ganz macht). Problem: die Kritik ist eine Herangehensweise, die das Fehlen sowohl voraussetzt als auch “produziert”. Beispiel: die kantsche Erhabenheit (s.o.).
Für Kant ensteht diese u.a. beim Anblick himmelansteigender Gebirgsmassen, tiefer Schlünde usf. Was passiert also beim Natur-Schauen: wir Menschenkinder stehen überwältigt vor einer rätselhaften Natur. Zugleich sind wir unfähig, den Sinn und Zweck dieser Naturerfahrung aus der Natur selbst herauszulesen: also eine Art von natur-ästhetisch induzierter Ratlosigkeit. Wir bilden uns den Schein ein und fühlen ein Mangel an Sein. Folgerichtig spricht Kant auch davon, dass das Wohlgefallen an der Erhabenheit negativer Art ist: die Einbildungskraft fühlt, dass das sinnliche Sein zu transzendieren, zu denken ist, findet aber kein Mittel dies zu bewerkstelligen. Das Subjekt muss auf die Vernunftebene wechseln und sich mit jenen Ideen eindecken, die die höhere Zweckmäßigkeiten des Naturschauspiels denkbar werden lassen (sich aber nicht empirisch zu realisieren vermögen; wie auch): nun erst wird die Natur erhaben.

Kurzum: Wir können den Sinn der Natur nicht aus der Natur empirisch herauslesen. Umgekehrt können unsere Vernunftideen den Zweck der Natur dieser auch nicht vorschreiben. Ausgehend von dieser Lücke - das Sinnliche bleibt defizitär, die Öffnung ein Mangel, die Differenz ein Mißstand - reagiert das kritische Subjekt mit der Projektionen eigener Ideen - das kann man dann erhaben nennen.

12. April 2015

Adieu sagt der Fuchs

“Aber wenn Du mich zähmst, werden wir einander brauchen.”
Antoine De Saint-Exupéry: Der kleine Prinz; Düsseldorf 1981 (1946), S. 49

Nach der Zähmung, in der Stunde des Abschieds wird man weinen, auch deshalb, weil man Zeit miteinander verbracht hat: die gewidmete Zeit macht Dinge wichtig, so der Fuchs. Management ist die Kunst, Dinge wichtig erscheinen zu lassen, ohne Zeit (oder so wenig Zeit wie möglich) für sie aufzuwenden - deshalb weinen Manager nie.

9. März 2015

Das ist ja witzig

“Der tendenziöse Witz braucht im allgemeinen drei Personen, außer der, die den Witz macht, eine zweite, die zum Ob-jekt der feindseligen oder sexuellen Agression genommen wird, und eine dritte, an der sich die Absicht des Witzes, Lust zu erzeugen, erfüllt.”
Sigmund Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten; Frankfurt/M. 1972 (1905); S. 80

Dieser Satz klingt trivial, bis man sich ernsthaft fragt, warum man nicht allein über (s)einen Witz lachen kann. Die Lust durch die Aufhebung der Hemmung kann nicht eher erzielt werden, bis ein Anderer diese Enthemmung mitträgt, sie bezeugt. Mittelbar hängt daran auch die Frage, warum man sich schwerlich selbst therapieren kann (Mein Selbst und mein Sprach-Ich wähnen sich oftmals allein und souverän). Identitäten und Witze hängen nicht an 2, sondern immer an 3 Elementen.

15. Februar 2015

Das verlorene Organ

“Man kann den Philosophen vielleicht als denjenigen bezeichnen, der das aufzeichnende und reagierende Organ für die Ganzheit des Seins hat.”
Georg Simmel: Hauptprobleme der Philosophie; Berlin/New York 1989 (1910), S. 11

Wer könnte das heute, gut hundert Jahre später, noch behaupten, ohne rot zu werden.

26. Janur 2015