“Der Raum der Übermoderne ist von diesem Widerspruch geprägt: Es hat es stets nur mit Individuen zu tun (mit Kunden, Passagieren, Benutzern, Zuhörern), doch er identifiziert, sozialisiert und lokalisiert diese Individuen lediglich am Eingang oder am Ausgang.”
Marc Augé: Nicht-Orte; München 2010 (1992); S. 110
Der ‘übermodern’ gestaltete Raum spricht weder an, noch antwortet er. Seine Bruchlosigkeit, sein Bild (ohne Faltungen, ohne Schmutz, ohne Störung, ohne Überschuss) beruht auf einer umso rigideren Trennung derer, die Zugang erhalten. Diese Rigidität gilt auch für den Raum selbst. Sobald seine Perfektion durchbrochen wird, schreibt sich die Zeit nicht als Alterung oder als Spur ein. Stattdessen: Dysfunktion, Verwahrlosung, Schäbigkeit. Imaginäres Gegenmodel: das Landleben.
26. September 2023
"Ein stechender Schmerz durchfuhr auf der Stelle Achill bis ans Herz hinan, und wie ein unterhöhlter Turm stürzte er plötzlich zu Boden."
Gustav Schwab: Sagen des klassischen Altertum; Köln 2011 (1838-40); S. 568
Bekanntlich wurde Achill von seiner Meeresgöttin-Mutter in den Fluss Styx getaucht, der unverwundbar macht; bis auf die Ferse, an der sie ihn hielt. Unsere verletzlichste Stelle: der Ort der Mutterbindung und des Mutterhalts, entstanden, um uns vor den Einschlägen des Lebens zu schützen. Wenn Achill in die Ferse oder wir ins Herz getroffen werden, zerbricht nicht nur ein Stück der Welt, sondern der Ort, von dem aus wir der Welt Begegnen können. Die wertvollste Stelle, nicht nur weil sie so verwundbar macht - sie ist der Ort der höchsten Produktivität (laufen und lieben). Auch: das 'Meer' als Metapher des 'Unbewußten' und der unentwirrbare 'Nabel' des `'Traums`.
31. August 2023
- Wir ergänzen die Verluste permanent und machen die Welt so vollständiger, als sie jemals war, ohne dass wir merken, dass die Welt nicht vollständig werden wird - das liegt nicht im Wesen der Welt.
- Zum Bleiberecht gibt es nun die theoretisch ausgearbeitete Bleibefreiheit; letzteres klingt ein bißchen nach Beinfreiheit, womit doch , Bewegung in die Sache kommt.
- Irritation morgens beim Blick auf die Zahnpasta - Sahnefleischzopf, nein Zahnfleischschutz.
- Aufkleber auf einem Auto vor mir: "Life begins at the end of your comfort zone" wie wahr, vielleicht auch eine Aufforderung dem Voraussfahrenden ins Heck zu fahren?
- Gestern: Bei der Frauen-WM im Fußball verliert die favorisierte deutsche Nationalmannschaft gegen Kolumbien. Um den deutschen Fußball ist es nicht gut bestellt. Ist der Fußball - zumindest bei den Fußballnationen - nicht immer auch ein Spiegel des Zustands der Nation. Und: nimmt die politische Klasse den Erfolg einer Mannschaft (Frauschaft?) nicht zum Anlass, um sich im Licht einer guten Leistung zu sonnen. Insofern passt es zur aktuellen Regierung, dass selbst auf dieser Ebene nichts zu gelingen scheint.
- Klimakrise läuft, Ukraine-Krieg hängt fest, Kapitalismus arbeitet im wohlbekannten Krisenmodus (in dem er sich wohl zu fühlen scheint). Neue Alltagstraurigkeiten.
31. Juli 2023
Der Frühlingszenit war schon überschritten, um genau zu sein, am 13. Mai 2023, verstarb die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff. Ich kenne von ihr nur den sehr lesenswerten "Blumenberg"-Roman. Den folgenden Satz habe ich mir markiert:
“Wir wissen, dass wir sterben müssen, aber wir glauben es nicht, weil wir es nicht denken können.”
Sibylle Lewitscharoff: Blumenberg, Berlin: Suhrkamp, 2013, S 48
Am gleichen Tag starb ein Freund von mir, mein Alter, d.h. noch keine 60 Jahre alt. Zu früh, natürlich zu früh. Er lag seit einigen Wochen in einem Hospiz-Zimmer, halbseitig gelähmt, konnte nur noch einzelne Worte rausbringen. Seine Augen blickten aufmerksam, auch müde und doch freundlich; er war, so denke ich, mit sich im Reinen. Der Gehirn-Tumor wurde vor vier Jahren diagnostiziert. Die prognostizierte Lebenserwartung bei dieser Krebsart lag - und liegt wohl immer noch - statistisch gesehen bei fünf Jahren. Er nutzte die Zeit für einige große Radtouren, mit denen er die Grenzübergänge zu den Nachbarländern abfuhr. Ich begleitete ihn auf Teilstücken bei zwei dieser Touren, was großartig war, auch wenn die Melancholie des Abschieds mitfuhr. In einigen Alltagssituationen merkte ich, dass sich bei ihm Defizite bezüglich Organisation, Artikulation und Koordination bemerkbar machten, die bei der zweiten Tour im letzten Jahr noch viel deutlicher zu Tage traten. Auch wenn die Lebensuhr bei uns allen tickt, hier war sie in Bezug auf das Ende geräuschvoller. Trotzdem waren es gemeinsame schöne Tage.
Wenn ein lieber Mensch, ein lieber Freund stirbt, wird die Welt etwas ärmer. Die gemeinsamen Konzerte, die Gespräche über Arbeit, Gott und die Welt, die Musik- und die Büchertipps, gemeinsames Essen und Trinken - vorbei, vorbei. Es ist nicht so, dass man im Alter nicht neue Erfahrungen machen, neue Kontakte knüpfen kann; unbedingt sollte man das. Aber die Jahre einer Beziehung, auf welchem Niveau und in welcher Färbung auch immer, kann man nicht in Wochen oder Monaten nachholen. Ein Teil der der eigenen Welt stirbt mit. Man kramt in seinen Erinnerungen und stellt fest, wie einige emblematische Zeitstränge unser Leben und unsere Beziehungen strukturieren. Und wenn man jemanden wirklich gern gehabt hat, schwinden seine Schwächen zu liebenswerten Tics. Auch die vermisst man.
Jemand ist tot. Sibylle Lewitscharoff hat Recht: ich kann meinen zukünftigen Tod nicht glauben, weil ich ihn nicht denken kann. Das gilt zunächst auch in Bezug auf den Anderen: Nicht-Wahrhaben-Wollen. Anfänglicher Denk-Reflex: bei der Todesnachricht muss es sich um ein Versehen handeln, es gab eine erfolgreiche Therapie oder eine wundervolle Spontanheilung - der Freund wird sich bald melden: "Ist noch mal gut gegangen." Aber nein, soviel Vernunft hat die Restvernunft dann doch, um zu versichern, da kommt keine Nachricht. Inzwischen ist er beerdigt, was allen und auch mir dabei hilft, das Unabänderbare, jemand kommt nicht wieder, zu akzeptieren. Wie heißt es so abgeklärt: es handelt sich um einen Trauerprozess und dabei müssen einzelne Trauerphasen durchlaufen werden (Nicht-Wahrhaben-Wollen, Emotionen, Sich-Trennen, neuer Weltbezug). Der Sinn einer jeden "Regional-Ontologie": Beruhigung; kann man doch alles in den Griff bekommen, oder nicht? Und dann meldet sich der Tod an unerwarteten Stellen zurück.
Memento Mori - so heißt es seit Jahrhunderten, schon im antiken Rom (Laut Wikipedia gab es in Rom das Ritual, dass bei einem Triumphzug ein Sklave hinter dem siegreichen Feldherrn ging. Dieser hielt einen Lorbeerkranz über den Kopf des Siegreichen und mahnte: Memento mori - Bedenke, dass du sterben wirst). Also den Tod bedenken. Nur daraus folgt kaum oder selten ein 'neues' Leben. Viel gewonnen, so scheint mir, wäre durch ein bewußteres Leben, in dem man sich von den alltäglichen, nur allzu alltäglichen Stressmomenten nicht vollumfänglich vereinnahmen lässt. Innehalten und darüber erstaunen, wieviel man (in sich) ansammelt und anhäuft mit all seinen Ansprüchen. Weiter so, wirklich, wo zum Schluss alles unseren Händen entgleitet? Mag es so gelingen, aus dem Tod noch so etwas wie einen Nutzen zu ziehen? Aber vielleicht bleibt der Tod einfach eine große Leerstelle, die nie endgültig zu besetzen ist, bis er für uns persönlich das letzte Kapitel aufschlägt.
Die letzten zusammenhängenden Worte, die mein Freund mir zum Abschied mehr zuflüsterte, als dass er sie mir sagte, waren:
"Ich halte die Stellung."
Eine Formel, die signalisiert, dass man sich für den und die anderen noch nicht aufgeben hat (und wie nicht in Zeiten des Krieges auch an jene zu denken, die in Schützengräben buchstäblich die Stellung halten müssen). Vielleicht war es auch anders gemeint. Das folgende Zitat ist vielleicht auch eines über unsere Stellung angesichts unseres Endes:
“Zu den Figuren unseres Schicksals zählt auch jene, die als der Verlorene Posten bezeichnet wird, und niemand weiß, ob gerade dieses Schicksal sich nicht eines Tages auch an ihm vollstreckt.”
Ernst Jünger: Capriccios; Stuttgart 1995 (1938); S. 28
Mein Freund war ein gläubiger Mensch. Er stand nicht auf verlorenem Posten.
30.06.2023
“Wenn man etwas verloren hat und es ein gefährlicher Verlust ist, dann weist man zurück, dass man mit der verlorenen Sache etwas von sich selbst verloren hat.”
Hélène Cixous: Die unendliche Zirkulation des Begehrens; Berlin 1977; S. 43
Dieser Satz scheint, so man ihn auf auf Fußballangelegenheiten beziehen will, etwas groß, etwas übertrieben zu sein. Und überhaupt stellt sich die Frage, was ein gefährlicher Verlust sein soll. Sind damit äußere Gegenbenheiten gemeint? Kann man nicht auch ein Gefühl verlieren? Und was heißt verloren und Verlust? Bezieht es sich lediglich darauf, dass etwas abhanden gekommen ist, so wie man ein Kette verloren hat, oder darauf, dass etwas vernichtet wurde oder gestorben ist? Und was ist das Gefährliche an einem Verlust? Offenbar kann es nicht darum gehen, dass auf einer biologischen, oder sollte man besser sagen, auf einer rein biolgischen Ebene etwas verloren wurde, was das eigene Fortleben in Frage stellen könnte. Denn ganz konsequent zu Ende gedacht, führt ein solcher Verlust entweder zum Tod, so man zum Beispiel den Kopf verliert, oder er ist auf biologischer Ebene nicht - mehr - gefährlich. Was also ist ein gefährlicher Verlust? Antwort: das Gefährliche an einem Verlust ist der Umstand, dass er unsere Identität in Frage stellt, dass er unsere Vorstellung von dem, was und wie ich bin, was und wie wir sind - und zwischen dem Ich und Wir laufen verwickelte Fäden -, unterminiert.*
Also muss man die Denkfigur etwas drehen: das Gefährliche an einem Verlust ist nicht der Verlust an sich, sondern der Umstand, dass er unsere Identität tangiert und wir darauf nicht antworten, wir uns also nicht ändern. Ist es nicht das, was in dem obigen Zitat von Hélène Cixous gesagt wird: "(...) dann weist man zurück, dass man mit der verlorenen Sache etwas von sich selbst verloren hat." Man kann nicht etwas von sich selbst verlieren und sich gleich bleiben, oder?
Offensichtlich sind davon auch alle Formen der Identifikationen betroffen, wie sie zum Beispiel beim Fußballfan aufs Schönste anzutreffen sind. Nun identifiziert sich der Fußballfan nur partiell mit der Fußballkultur, im Unterschied zum Opernfan, der sich vollumfänglich mit der Oper und nicht nur mit dem einem Komponisten 'identifiziert'. Der eigentliche Fußballfan ist primär mit einem Verein oder mit einer Nationalmannschaft verbunden. Denn im Unterschied zur Oper ist Fußball ein Wettkampfsport, in dem es (auch) um das Gewinnen und Verlieren geht, was folgerichtig dazu führt, dass man für und gegen etwas 'ist'. Mit etwas Küchenpsychologie kann man zu dem Schluss kommen, dass es gerade diese einfache Struktur von Gewinnen (Lust) und Verlieren (Unlust) ist, die zur Identifikation einläd. Daraus ergibt sich jedoch die Frage: warum sollte man sich mit etwas identifizieren, das immer wieder auch Unlust bereiten kann (denn bekanntlich gewinnt kein Verein immer).
Und schon sind wir bei der guten, alten Dialektik, diesmal von Leid und Freud. Denn je höher der Einsatz, umso höher die Gewinne und Verluste, desto schöner die Siege, desto trauriger die Niederlagen. Die Maßeinheit für ein Fußballspiel heißt in diesem Fall Spannung. Je weniger ich an Identifikation investiere, desto geringer die Spannung, desto geringer Freud und Leid. Eine Emotionssicherungslogik katapultiert den Zuschauer fast vollständig aus dem Bedeutungshorizont eines Fußballspiels, wenn man nicht die 'reine' Ästhetik des Spiels goutieren kann, was wiederum eine immense Kennerschaft voraussetzt. Insofern ist Fußball tatsächlich Teil der Kultur, da Fußball, mal mehr, mal weniger, auch Ambivalenzbewältigung ist (the higher they fly the deeper they fall und umgekehrt). Nun gibt es neben der ästhetischen noch eine weitere Ebene, die die ungeschützte Emotion einhegen kann: man macht die Treue zu einem Verein unabhängig von seinen Erfolgen zum eigentlichen Kristallisationspunkt der Identifikation. Und was ist nun der Mehrwert der Treue, die Lust an der Treue? Teil von etwas zu sein, das als 'Schicksalsgemeinschaft' en miniature funktioniert. Zugehörigkeit meint wiederum Kontingenzbewältigung, meint Solidarität und Hoffnung, selbst in 'schweren Stunden'. Eine Niederlage, und wäre sie auch noch so gravierend - zum Beispiel indem eine Mannschaft am letzten Spieltag in einem Heimspiel bei einem mittelmäßigen Gegner die Meisterschaft verspielt -, wäre nur ein weiterer Prüfstein für die eigene Loyalität. Es wäre sonst kaum zu verstehen, warum wenig erfolgreiche Vereine überhaupt eine Fankultur entwickeln können, wobei man einschränkend sagen muss, das zum einen natürlich die jeweiligen Voraussetzungen und Möglichkeiten eines Vereins mit ins Kalkül gezogen werden müssen (Erfolg im Rahmen des Möglichen) und zum anderen die meisten Fans eben bei dem höchstklassigen Verein der Heimatstadt 'hängen' bleiben (Tugend: Akzeptanz der Geworfenheit).
Ein einzelnes Fußballspiel wird also für einen wahren Fußballfan nicht zu einem 'gefährlichen Verlust' führen können. Jeder Fan weiß, dass Fortuna in dem entscheidenden Spiel ihre Gunst auch leistungsunabhängig zuteilen kann. Die eigentliche Währung der Treue ist die Identifikation derer, die für den Verein spielen und den Verein führen. Der Feind der Treue ist umgekehrt die Kommerzialisierung, die aus Spielern gewinnorientierte Sportler und aus Vereinen Wirtschaftsunternehmen macht. Dieser Schritt wurde schön längst vollzogen, was zur Folge hat, dass es sich nicht mehr um einen rein sportlichen Wettkampf handelt, da einige Vereine Dank ihrer finanziellen Möglichkeiten den Erfolg - zugegeben: mal besser, mal schlechter - herbeiorganisieren können. Was der Fan eines solchen Vereins an 'Treuemöglichkeiten' verliert, wird ihm auf der anderen Seite als 'Gewinnversprechen' zurückgegeben. Daher fühlen sich solche Fans mehr als Kunden, was wiederum dazu führt, dass sie bei einem schlechten Spiel die Spieler nicht unterstützen und frühzeitig das Stadion verlassen.
Das Eingangszitat könnte also auch heißen, dass mit der Kommerzialisierung ein gefährlicher Verlust einhergeht, den 'Kunden' dieser Entwicklung nicht wahrhaben wollen. Sie sehen nicht, dass mit der verlorenen Sache sie etwas von sich selbst verloren haben. Aber die Klage über die Kommerzialisierung ist so alt wie diese selbst. Die Entwicklung ist auch keineswegs überraschend und die kapitalförmige Durchdringung vieler Lebensbereiche vollzieht sich seit Jahrzehnten. Jede Fan-Treue zu einem Profiverein ist daher immer eine eingetrübte vor dem Hintergrund einer warenförmig organisierten 'Identitätsstiftung' ('Echte Liebe', wirklich?). Es kommt auch nicht von ungefähr, dass neben der Kundenmentalität sich auch eine Eventkultur in den Stadien etabliert hat, die die Stimmung an sich genießen möchte, fast unabhängig vom Spielanlass. Kulturpessimismus geht immer. Nichtsdestotrotz gibt es eine vitale Fußballkultur, die sich der Kommerzialisierung zu widersetzen versucht. Aber eine heile Welt gab es auch im Fußballuniversum nie. Das was man sucht, war und ist schon verloren. Eine bedingungslose Treue kann auch eine Immunisierungsstrategie sein, die es sich erspart, auf neue Gegebenheiten neue Antworten zu finden. Auf jeden Fall ist eine in sich gebrochene Treue 'ehrlicher' und die in mehrfacher Hinsicht sinnlose Fassungslosigkeit angesichts einer großen Niederlage 'besser', als die nüchterne Mutation zum Kunden oder zum Fußballkenner. Alternativ kann man auch den Tipp des Liedermachers Funny van Dannen beherzigen:
"Sie vermissen die großen Gefühle, das kann ich gut verstehn
Auch Sie sollten mal wieder in die Oper gehn..."
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*So gesehen ist ein gefährlicher Verlust nicht nur Innen und/oder nicht nur Außen, sondern betrifft die Schwelle, die diese beiden Zonen voneinander trennt und zugleich verbindet. Aber: wenn ich einen Schlaganfall erleide, verliere ich unter Umständen basale Fähigkeiten, wie zum Beispiel mein Sprachvermögen. Kann man zurückweisen, dass man mit diesem Verlust etwas von sich selbst verloren hat? Wohl kaum. Man könnte erwidern, dass es im eigentlichen Sinne kein gefährlicher Verlust ist, weil sich die Frage der Zurückweisung gar nicht stellt. Der Verlust ist so tiefgreifend, dass ich gezwungen bin die Innen-Außen-Beziehungen neu zu ordnen. An dieser Stelle, schwacher Trost, sei darauf hingewiesen, dass jeder Verlust auch neue Möglichkeiten entstehen lässt, wenn auch auf einer ganzen anderen 'Ebene'. Ein wirklicher Verlust erschüttert die Vorstellung unserer Souveränität, so dass ich 'geöffnet' werde, was immer daraus folgen kann.
29. Mai 2023
Schreiben ist bestimmt eine bedeutungsvolle Angelegenheit, vielleicht:
"Von allen Wahngebilden, denen ich anhing, scheint mir dieses das kompromittierendste und unbegreiflichste."
E. M. Cioran: Vom Nachteil geboren zu sein; Frankfurt/M. 1979 (1973), S. 159
Jeder Buchstabe, jeder Satz ein Spiegelbild der Seele und diese, gleich Narziss, blind und blöd verliebt - wie das nicht durchschauen und trotzdem schreiben?
09. April 2023